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Resilienz und Ressourcenorientierung

Ein Erfahrungsbericht für die Arbeit mit Teams

Mareike König zeigt auf inspirierende Art und Weise, wie Resilienz auf individueller und systemischer Ebene gestärkt werden kann und teilt dabei ihre Erfahrungen und bewährten Methoden aus der Arbeit mit Teams.

In meiner Tätigkeit als Systemischer Business Coach  nimmt das Thema der Belastungen, der persönlichen Herausforderungen und das Gefühl, keine Kraft mehr für diese Herausforderungen zu haben, derzeit eine große Rolle ein. An dieser Stelle kann uns der Blick auf das Thema der Resilienz helfen. Resilienz wird im Allgemeinen als die psychische Widerstandsfähigkeit beschrieben. Genauer bezeichnet Resilienz die Fähigkeit eines Individuums, erfolgreich mit belastenden Lebenssituationen, Stress oder Krisen umzugehen und daraus gestärkt hervorzugehen. Sie umfasst sowohl persönliche als auch soziale Ressourcen, die helfen, Herausforderungen zu bewältigen und sich trotz widriger Umstände weiterzuentwickeln.

Zur Resilienzbeschreibung verwende ich häufig das Bild des Bambus: Resiliente Menschen wiegen sich in den Stürmen des Lebens wie ein Bambus, manchmal weht es sie kräftig um, aber wie der Bambus schaffen sie es immer wieder, sich aufzurichten und weiter zu wachsen.

Resilienz ist ein Begriff, der schon in den 1970 Jahren durch die Psychologin Emmy Werner an Bedeutung gewonnen hat. Sie und ihre Kollegen führten damals eine Langzeitstudie durch und entdeckten Schlüsselfaktoren, die Menschen unterstützen, trotz widriger Umstände eine gute psychische Widerstandsfähigkeit zu entwickeln und ein glückliches Leben zu führen. Dies bedeutet, es gibt gewisse Faktoren, die uns helfen können, mit Schicksalsschlägen, Stress und Belastung besser klarzukommen. Dabei geht es um die individuellen Faktoren Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Verantwortung, Netzwerkorientierung, Lösungsorientierung und Zukunftsorientierung (Heller, 2013). Eine wichtige Erkenntnis der letzten Jahre Resilienzforschung ist, dass diese Faktoren bei uns zwar zunächst unterschiedlich stark ausgeprägt sein können, dass wir alle diese Faktoren und damit unsere Resilienz trainieren können, und somit unsere Resilienz stärken können.

Resilienz wird dabei zunächst überwiegend als eine individuelle Kompetenz betrachtet: Es ist die Fähigkeit einer einzelnen Person, erfolgreich mit den Stürmen des Lebens umzugehen. 

Doch die Frage ist, ob diese Sichtweise ausreicht. Sind es nicht auch immer wieder Systemfaktoren, die für Resilienz eine Rolle spielen?  Sicherlich gibt es auf der einen Seite psychische Faktoren wie Optimismus, Lösungsorientierung und Selbstwirksamkeit, welche die Resilienz eines Menschen beeinflussen. Doch auf der anderen Seite spielen auch andere Ressourcen eine Rolle – wie z.B. Personen, die als weitere Ressource dienen können als auch persönliche oder systemische Regeln oder Regelkreise. 

Michael Ungar, ein kanadischer Resilienzforscher, beschreibt Resilienz als die Fähigkeit, bei hohem Stress auf psychologische, soziale und physische Ressourcen zugreifen zu können und damit dem Stress begegnen zu können (Konferenz für Positive Psychologie 2024) – und damit weitet sich der Blick vom Individuum auf die systemischen Faktoren. Dies bedeutet, dass nicht nur individuelle Aspekte gestärkt werden sollten, sondern auch der systemische Blickwinkel Ansatzpunkte zur Stärkung der Resilienz gibt. In unserem Bild der personalen Systemtheorie bedeutet dies, die 6 Systemebenen in den Blick zu nehmen, um somit die Resilienz zu stärken: 

Zum einen geht der Blick auf das Individuum

  • Welche subjektiven Deutungen hat die Person bzgl. der aktuellen Situation? Hier helfen die ursprünglichen Resilienzfaktoren wie Optimismus, Akzeptanz oder auch eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung. 

Auf der anderen Seite ist es aber auch hilfreich, den Blick auf das System auszuweiten: 

  • Welche Personen können (noch zusätzlich) als Ressource genutzt werden? 
  • Welche Regeln können ggf. verändert oder eingeführt werden, um die Resilienz zu stärken?
  • Wie können hinderliche Regelkreise verändert, förderliche Regelkreise etabliert werden?
  • Welche Bedeutung hat die Systemumwelt? 
  • Wie zeigt sich die Entwicklung?

 

Michael Ungar erzählt das Beispiel eines Jungen, der in sehr schwierigen Verhältnissen aufwuchs und es nicht schaffte, mit diesen Belastungen gut umzugehen und resilient durch diese Zeit zu kommen – erst der Blick auf die Umwelt und andere Menschen, die als Unterstützer eingebunden werden konnten, halfen dem Jungen, dann die notwendige Resilienz aufzubauen. Ein deutliches Beispiel dafür, wie wichtig es ist, auch beim Thema Resilienz den systemischen Blick zu nutzen. 

Wenn Resilienz systemisch gesehen werden sollte, dann macht es Sinn, Resilienzinterventionen nicht nur auf individueller Ebene sondern auch im System durchzuführen, z.B. in einem Team, einer Abteilung, einer Organisation. 

Zum einen erleben auch Teams VUCA und brauchen Rüstzeug, mit diesen sich ständig verändernden Gegebenheiten umzugehen, zum anderen kann aber gerade der Blick auf Teamresilienz Synergien freisetzen, die sich dann wiederum verstärken: Erlebe ich im Team Unterstützung, einen Sinn in der Arbeit, haben wir Copingstrategien erarbeitet, um mit den Anforderungen umgehen zu können, so stärkt dies das Team als Ganzes, aber auch jedes einzelne Teammitglied – die Resilienz wird somit auf zwei Ebenen gestärkt. 


Ich möchte an dieser Stelle einen kleinen Erfahrungsbericht zur Resilienzarbeit mit Teams teilen: Teamtime - Die Stärkung unserer Resilienz

Bei der Begleitung von Führungskräften höre ich häufig die Sorge um belastete Mitarbeiter und den Wunsch, diesen Methoden an die Hand zu geben, um mit herausfordernden Situationen besser umgehen zu können. So entstand die Idee der Teamtime mit dem Fokus: Stärkung der Resilienz im Team.  

Eine häufige Herausforderung ist, dass die Teams einen hohen Stresslevel haben, außerdem das Gefühl, dass sie keinerlei Zeit für irgendetwas „nebenbei“ haben, dass eine hohe subjektive Belastung und eine hohe Krankenquote vorhanden sind – das war die Ausgangssituation für die Teamtime. Wir entschieden uns, die Teammitglieder zu einer Resilienzstärkung einzuladen – alle 2 Wochen eine Stunde Teamtime über insgesamt 8 Einheiten (stellenweise findet diese Teamtime auch online statt – vor Ort ist schöner, aber auch das ist eine Möglichkeit). 

Ziel der Reihe ist es, den Mitarbeitenden zum einen das Bewusstsein zu schärfen: Ich kann etwas für mich tun, ich kann (zumindest zu einem gewissen, nicht unerheblichen Grad) steuern, wie es mir geht. Zum anderen ihnen aber auch ganz konkrete Methoden an die Hand zu geben, mit dem sie genau diese Steuerung angehen können. Und zum dritten ihnen ein Forum zu bieten, sich im Team auch (mal) über persönliche Dinge auszutauschen und damit den Teamgedanken und auch die soziale Unterstützung untereinander zu stärken. 

Wir waren gespannt, wie es sich entwickeln würde. Als Einstieg wählten wir den Aspekt der Emotionen, in meiner Erfahrung ist dies ein Ansatz, der Türen öffnet und ganz schnell zu einem höheren Energielevel führt: Der Blick auf die positiven Emotionen

Positive Emotionen sind für mich die Basis einer positiven Grundeinstellung und somit auch Basis für die persönliche Resilienz. Barbara Fredrickson hat durch ihre Forschungen gezeigt, dass positive Emotionen Einfluss haben auch auf die anderen Faktoren – unsere Gedanken, unsere Kreativität, unsere Handlungsmöglichkeiten: „Sie (die positiven Emotionen) erweitern (broaden) unseren Horizont und unser Bewusstsein und ermöglichen uns einen größeren Denk- und Handlungsspielraum als sonst.“ (Fredrickson, 2011). In der Broaden – and build theorie beschreibt Fredrickson weiterhin, dass diese größeren Denk – und Handlungsspielräume sich zu weiteren Kompetenzen und Ressourcen entwickeln (build) und dadurch wiederum positive Emotionen entstehen: „Und wenn der Samen unserer positiven Einstellung aufgeht, gedeihen wir. Plötzlich sind wir voller Möglichkeiten, sind außerordentlich widerstandsfähig und glücklich.“ (Fredrickson, 2011, S. 53).

Positive Emotionen sind also die Grundlage für Resilienz und gleichzeitig der Türöffner für die Arbeit in der Teamtime: In einem kurzen Theorieinput werden der Ursprung der positiven Psychologie und die Kernaussagen bzgl. der positiven Emotionen erläutert (Broaden- and build), dann geht es aber ans Erfahren: Besonderes Highlight war die Übung aus dem Appreciative Inquiry stammende Übung der wertschätzenden Befragung. Kerngedanke dabei ist, positive Emotionen zu erfahren und im Team auszutauschen. Zum Abschluss gibt es noch ein paar Methoden und Hausaufgaben an die Hand wie den Pleasure – Walk, den Positiven Tagesrückblick oder den Freundlichkeitstag (Blickhan, 2019). 

Im Abstand von jeweils 2 Wochen wurden weitere Teamtime Einheiten durchgeführt, mit den Themen Soziale Unterstützung, Coping Strategien, Unterschiedswahrnehmung und Sinn – und immer war der Blick nicht nur beim Individuum sondern eben auch beim Team: Was bedeutet das für uns, wie können wir diese Aspekte für uns nutzen? 

Wertvoll ist hier die Verknüpfung des Resilienzkonzepts mit unserem Systemmodell – denn durch den Blick auf unsere Systemfaktoren erhalten die Teams weitere konkrete Anregungen. Welche Regeln können uns im Team helfen, unsere Resilienz zu stärken, welche Regelkreise haben wir, die vielleicht hinderlich sind und in positive Regelkreise verändert werden könnten, wer kann uns noch aus der Umwelt unterstützen… 

Um die Nachhaltigkeit zu stärken bekamen die Teammitglieder am Ende jeder Einheit eine kleine „Hausaufgabe“, die zu Beginn der nächsten Einheit kurz besprochen wurde – so wurde die Integration in den Alltag unterstützt und die Teilnehmenden übten sich daran, den Blick auf die Resilienzaspekte auch im Alltag zu schärfen.

Die Teamtime hat etwas geändert: Schon nach kurzer Zeit war mehr Energie im Team spürbar, es herrschte ein anderer Umgang mit den Herausforderungen, es war deutlich mehr Zusammenhalt, und es wurde mehr gelacht – so die Rückmeldung der Führungskräfte. Das sind sicherlich sehr wichtige Faktoren in der heutigen Welt, die immer wieder geprägt ist von Unsicherheit, Ängsten und Herausforderungen. 

Resilienz ist ein Thema, das eine große Bedeutung hat, für mich ist es in meiner Tätigkeit als Coach nicht mehr wegzudenken – es hilft uns im Umgang mit uns selbst, mit unseren Coachees, bei der Arbeit mit Teams und Organisationen – und es hat ganz viel Potential die Menschen, die wir begleiten zu stärken (und uns selbst auch)!

 

Noch mehr Interesse am Thema Resilienz und Ressourcenorientierung? Im WIBK bieten wir Systemische Werkstätten auch zu diesen Themen an. Jetzt ganz aktuell im Dezember 2024 startet eine neue Systemische Werkstatt zum Thema Ressourcenorientierung. Zur Anmeldung gehts hierlang: 
https://www.wibk.net/weiterbildungen/systemische-werkstaetten/resilienz-und-ressourcen

 

Literatur:

Blickhan, Daniela (2018): Positive Psychologie. Junfermann

Heller, Jutta (2013): Resilienz. 7 Schlüssel für mehr innere Stärke. GU

König, Eckard, Volmer-König, Gerda, König, Mareike (2020): Mini – Handbuch Systemisches Coaching. Beltz Verlag  

Lyubomirsky, Sonja (2018): Glücklich sein. Warum Sie es in der Hand haben, glücklich zu leben. Campus

Seligman, Martin (2012): Flourish – wie Menschen aufblühen. Kösel 

Ungar, Michael (2024): Resilience. Keynote bei der 11. Europäischen Konferenz für Positive Psychologie


Autorin

Mareike König

ist DBVC Senior Coach, Beraterin und Trainerin in der Ausbildung des systemischen Business-Coachings. Seit über 15 Jahren begleitet sie Einzelpersonen, Teams und Organisationen in der Stärkung ihrer psychischen Gesundheit. Mareike unterstützt Menschen darin, ihre eigenen Ressourcen zu erkennen und zu nutzen, um Belastungen standzuhalten und Resilienz aufzubauen. Dabei folgt sie ihrem Leitbild: „Wachstum geschieht, wenn Menschen erkennen, wie stark sie sind.

 

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