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Agile Strategieentwicklung: Effectuation, Purpose und OKR

Strategie hat die Aufgabe, zwei Fragen zu beantworten:

  • Wo wollen wir hin?
  • Worauf konzentrieren wir unsere Energie?

Beide Fragen hören wir in unseren Workshops und Coachingprozessen immer wieder: Wie soll es mit uns als Beratungsunternehmen, als Klinikum weitergehen? Oder auf individueller Ebene: Wo will ich hin? Will ich in der jetzigen Position bleiben? Will ich etwas anderes machen?

Und die zweite Frage wird zunehmend drängender angesichts der Tatsache, dass durch Corona, aufgrund von Changeprozessen und … immer neue Anforderungen an Organisationen, an Teams, an einzelne Personen gestellt werden. Hier braucht es eine Strategie, um zu unterscheiden, was wirklich wichtig ist, worauf wir unsere Energie konzentrieren.

Ein Strategieprozess hat grundsätzlich 3 Teile:

  • Die Vision, die die Richtung festlegt
  • Die Ist-Analyse: Was sind unsere Stärken, sind Schwachstellen? Was erwarten unsere Stakeholder von uns? Welche allgemeinen Trends (demografische Entwicklung, Technik, Arbeitsmarkt …) müssen wir beachten?
  • Und schließlich als dritten Teil die Strategie-Umsetzung: Auf welche Schwerpunkte müssen wir uns konzentrieren? Welche Ziele ergeben sich daraus? Welche Projekte und Maßnahmen können wir durchführen, um diese Ziele und unsere Strategie zu erreichen?

 

Allerdings: Dieses »klassische« Strategiemodell hat eine Voraussetzung: Es setzt voraus, dass sich Entwicklungen im Groben vorhersagen lassen, dass die Maßnahmen, die ich plane, die Chance bieten, der Vision näher zu kommen. Doch gerade diese Voraussetzung ist heute fragwürdig. Corona (aber nicht nur Corona) hat uns gezeigt, dass die Situation sich in kurzer Zeit verändern kann und dass damit Voraussagen immer unzuverlässiger werden. Wir leben in der »VUCA-Welt«, einer Welt,

  • die volatil, von plötzlichen Schwankungen gekennzeichnet ist,
  • die ungewiss ist, in der stabile Vorhersagen nicht mehr möglich sind (denken Sie an die Vorhersagen, wie schnell Corona überwunden sein wird)
  • die komplex ist, das heißt, in der zahlreiche Faktoren ineinander greifen
  • und die damit »ambigue«, das heißt mehrdeutig ist, in der es zunehmend schwieriger wird zu unterscheiden, was richtig und was falsch ist.

Klassische Strategieentwicklung, so unsere These, ist in instabilen Situationen immer weniger anwendbar. Positiv formuliert: Strategieentwicklung muss angepasst und neu gedacht werden im Blick auf VUCA.

Es gibt mittlerweile eine Reihe von Modellen, die darauf ausgerichtet sind, Strategieentwicklung an VUCA anzupassen. Drei finden wir besonders wichtig

  • Effectuation im Anschluss an Saras D. Sarasvathy. Sarasvathy hatte sich im Rahmen ihrer Promotion die Frage gestellt, wie erfolgreiche Unternehmer »tatsächlich« vorgehen: Sie machen keine langfristige Planung, keine langfristige Strategie, erstellen keine Roadmap, so das Ergebnis, sondern sie »nutzen Gelegenheiten«: erkennen, wo sich Chancen bieten, ergreifen sie und entwickeln dafür in kurzer Zeit Lösungen.
  • Purpose im Anschluss an Simon Sineks Buch »Start with why« mit der These, in der Strategie nicht mit den Fragen, »was sollen wir tun?« oder »wie sollen wir es machen?« zu starten (was viele Organisationen tun), sondern mit dem «why«: Warum gibt es uns als Organisation? Was begeistert uns an unserer Arbeit? Warum arbeite ich hier? Was will ich in meiner Arbeit bewirken?
  • OKR als ein insbesondere von Intel und Google beeinflusstes Konzept, in Zyklen (in der Regel von 3 bis 6 Monaten) zu planen und dafür jeweils motivierende qualitative Ziele (objectives) und messbare Meilensteine (key results) festzulegen.

 

Wir haben in den letzten Monaten zahlreiche Strategie-Workshops auf dieser Basis durchgeführt, aber das Vorgehen auch in Coachingprozessen genutzt.

Dabei ergibt sich folgende Grundstruktur:

  • Mache dir den Purpose bewusst. »Beginne bei dem, wer du bist, was du weißt und wen du kennst« lautet der erste Grundsatz von Effectuation. Wir formulieren es etwas anders: »Mache dir bewusst, was dein Purpose, der Sinn deiner Arbeit ist«. Mache dir bewusst, was dich als Organisation, als Team, als einzelne Person auszeichnet, wo deine Stärken liegen und was dich antreibt!«.
  • Nutze Gelegenheiten: Sei aufmerksam auf das, was um dich herum geschieht, entwickle ein Gespür dafür, wo sich Chancen bieten (»Gespür« deutet darauf hin, dass dies häufig kein rational geplanter, sondern ein emotional gesteuerter Prozess ist), sei offen für neue Kontakte und neue Ideen und sensibel für die Chancen, die sich möglicherweise dabei auftun.
  • Konzentriere dich auf eine neue Idee. Effectuation spricht in diesem Zusammenhang von »affordable loss«: Versuche nicht im Vorhinein den möglichen Ertrag zu berechnen (die Welt kann sich schneller ändern als du denkst), sondern überlege »affordable loss«: Wieviel (an Geld, Zeit, Energie) bist du bereit, dafür zu investieren – auch wenn nichts daraus wird. Nicht selten macht man dann die Erfahrung, dass doch etwas daraus wird.
  • Plane das Vorgehen nach OKR. Das heißt, setze dir dafür ein motivierendes Ziel (das muss nicht messbar sein, aber es soll emotional ansprechen, dich begeistern): Und überlege dir für den Weg dahin »key results«: messbare Ziele, die dir zeigen, dass du auf dem richtigen Weg bist.

Sicherlich, wie das dann konkret auszufüllen ist, hängt »vom System« ab, von den Vorerfahrungen mit Strategieprozessen, von den Stakeholdern, der Kultur und anderen Faktoren. Und das ist dann Aufgabe von Organisationsberatung, das für dieses soziale System passende Design zu entwickeln.

 

Und wenn Sie sich weiter mit dem Thema auseinandersetzen möchten:

  • Als Grundlage für den Systemprozess: König E./Volmer. G. (2018): Handbuch Systemische Organisationsberatung. 3. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz.
  • Zu Effectuation: Faschingbauer M. (2010): Effectuation. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
  • Zu Purpose: Sinek, S. (2014): Frag immer erst: warum: Wie Top-Firmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren. München: Redline Verlag.
  • Zu OKR zum Beispiel: Kudernatsch, D. (2020): Toolbox Objektives and Key Resluts: Transparenzte und agile Strategieumsetzung mit OKR. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.

 

Übrigens: Wir bieten auch regelmäßig Seminare zu „Agile Strategieentwicklung: Purpose und Effectuation“ für einzelne Organisationen aber auch als freie Ausschreibung an. Kontaktieren Sie uns diesbezüglich gerne.

Autor

Prof. Dr. Eckard König

emeritierter Professor an der Universität Paderborn mit dem Arbeitsschwerpunkt Weiterbildung/Organisationsberatung. Er hat langjährige internationale Erfahrung bei der Beratung von Organisationen und führt – zusammen mit Gerda Volmer – seit über 25 Jahren eine der erfolgreichsten Ausbildungen in Systemischer Organisationsberatung durch.

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