Die Arbeit mit Wertekarten in der systemischen Organisationsberatung
Werte und Regeln geben uns eine normative Orientierung, sie leiten das Handeln in einem sozialen System. Regeln sind situationsspezifisch. Werte dagegen übersteigen spezifische Handlungen und Situationen und sie steuern das Handeln stärker auf einer emotionalen Ebene – wenn ich den Wert "Wertschätzung" verinnerlicht habe, muss ich in der Regel nicht nachdenken, sondern setze ihn intuitiv um. Werte und Regeln stehen aber auch in Verbindung: "Wertschätzung“ ist ein allgemeiner Wert, aus dem sich dann Regeln ableiten lassen wie zum Beispiel „wir hören einander zu“.
Heute möchte ich die Arbeit mit Wertekarten vorstellen. Wir haben sie anhand der universellen Werte von Schwartz (2007, 2012) entwickelt.
Diese universellen Werte sind, wie Schwartz in umfangreichen Untersuchungen zeigte, für alle Menschen gleich, aber jede Person ordnet die Werte in einer anderen Reihenfolge. Unterschiedliche Werte oder unterschiedliche Reihenfolgen führen zu Missverständnissen und sind nicht selten Anlass für Konflikte.
Die Wertekarten kann man nutzen, um sich über die Rangordnung der eigenen Werte bewusst zu werden, im Team oder in der Organisation Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den jeweiligen individuellen Werten zu erfassen. Sie geben Anstoß, über das Thema Werte ins Gespräch zu kommen und die individuellen Wertehierarchien einander anzunähern – oder Unterschiede zu akzeptieren und zu nutzen.
Bei einem Teamworkshop, in dem es darum ging, die neue Teamleitung genauer kennenzulernen, habe ich das Kartenset genutzt, um über Werte der einzelnen Teammitglieder und des Teamleiters zu sprechen.
Die meisten Teammitglieder ordneten ihre Wertekarten in folgender Reihenfolge an (geordnet nach Wichtigkeit):
Konformität, Sicherheit, Wohlwollen, Leistung, Universalismus
Der neue Teamleiter ordnete die Karten in folgender Reihenfolge:
Selbstbestimmung, Stimulation, Leistung, Wohlwollen, Einfluss
Hier wurden die unterschiedlichen Vorstellungen sehr deutlich: Das Team erhoffte sich, durch den neuen Teamleiter endlich verlässliche Standards für ihre Arbeit zu erhalten, um die Überlast zu verringern und gute Leistungen für den Kunden erbringen zu können. Der neue Teamleiter wollte den Teammitgliedern möglichst viel Selbstbestimmung und Freiraum zur eigenen Entfaltung geben.
Durch das Legen der Karten wurden die Unterschiede der Wertehierarchie deutlich. Im Gespräch konnte der Unterschied verständlich gemacht und die positive Absicht der Einzelnen heraus gearbeitet werden. Dies war die Grundlage, um gemeinsame Regeln des Teams mit dem Teamleiter zur Organisation der Arbeit festzulegen:
- Wir leben die Standards.
- Sonderwünsche und Ausnahmen sind über den Teamleiter abzustimmen.
- Die Aufgabenabarbeitung gestaltet jeder selbst.
- Wir sind respektvoll untereinander.
Wertekarten wenden wir in Teams, aber zum Beispiel auch in Führungstrainings an, um Unterschiede in den Werten einer älteren Führungskraft und Mitarbeitenden der Generation Y plastisch zu veranschaulichen (s. auch den Blogartikel "Führung von und mit der Generation Y" von Yannik Fleer zu diesem Thema).
Wertekarten können auch Teil eines Strategieprozesses sein: Zuerst legt jeder aus dem Strategiekreis seine persönliche Wertehierarchie und dann die des Unternehmens. Aus der Übereinstimmung bzw. dem Auseinanderklaffen der Werte einzelner und des Unternehmens lassen sich strategische Themen ableiten. Ebenso können die Werte gelegt werden, die das Unternehmen in Zukunft braucht, woraus sich die Frage ergibt, wie die Organisation es erreichen kann, dass diese Werte gelebt werden.
Schließlich kann man die Wertekarten auch für eigene Entscheidungen nutzen. Wenn die eigene Wertehierarchie gelegt ist, geht man jede Entscheidungsoption durch und verändert dann die Hierarchie der Werte pro Option oder verschiebt die Karten nach oben (der Wert wird gestärkt durch die Entscheidungsoption) oder nach unten (der Wert verringert sich durch die Entscheidungsoption).
Das Kartenset "Werte in Bewegung" ist ab Anfang 2022 käuflich über unsere Website zu erwerben.
Autorin
Dr. Gerda Volmer-König
Leiterin des Wissenschaftlichen Instituts für Beratung und Kommunikation Paderborn (WIBK), langjährige Praxistätigkeit in Beratung, Supervision, Teamentwicklung, Weiterbildung in verschiedenen Institutionen; Leitung und Beratung von Veränderungsprojekten, internationale Erfahrung, Forschungstätigkeit im Bereich Organisationsberatung und Kommunikation.